SiGe und Ge Epitaxie auf Si
In der Heteroepitaxie auf Silizium hat Germanium bzw. ein Silizium-Germanium-Gemisch (Si1-xGex) weite Verbreitung gefunden. Für viele technologische Schritte sind die mit Si-Substrat und Si-Deckschicht versehenen SiGe-Schichten wie Silizium zu behandeln. Zur Herstellung von einkristallinen Silizium‑Germanium‑Schichtsystemen können verschiedene chemische und physikalische Beschichtungsverfahren eingesetzt werden. Die chemischen Verfahren (chemical vapor deposition ‑ CVD) basieren auf der chemischen Reaktion von silizium‑ bzw. germaniumhaltigen chemischen Verbindungen (z.B. SiH4 und GeH4) direkt auf dem Silizium Substrat. Zu den physikalischen Verfahren gehört als wichtigstes die Molekularstrahl‑Epitaxie (molecular beam epitaxy ‑ MBE). Darunter wird eine Kristallwachstumsmethode verstanden, bei der gerichtete Atom‑ bzw. Molekülstrahlen unter Ultrahochvakuumbedingungen auf ein Substrat treffen und dort die vom Substrat vorgegebene kristalline Orientierung aufnehmen.
Silizium und Germanium sind in jedem Verhältnis miteinander mischbar. Dabei können durch die Wahl des Mischungsverhältnisses die gewünschten elektronischen Eigenschaften eingestellt werden. Silizium und Germanium haben als Volumenmaterial dieselbe Kristallstruktur. Allerdings ist die Gitterkonstante von Germanium 4,2 % größer als die von Silizium. Dieser Unterschied von zwei strukturgleichen Gittern führt dazu, dass das wachsende Gitter sich dem durch das Substrat vorgegebenen Gitter anpassen muss; es wird gegenüber seiner Volumenstruktur verspannt. Da die wachsende Schicht in den Netzebenen parallel zur Substratoberfläche diese abbildet (senkrecht dazu gibt es andere Bindungslängen, siehe auch Abbildung rechts) spricht man auch von pseudomorphen Wachstum. Diese innere Schichtspannung beeinflusst neben dem Mischkristalleffekt zusätzlich die für elektronische Anwendungen wichtigen Eigenschaften. In den letzten Jahren wurden verschiedene Bauelemente, basierend auf Silizium-Germanium-Schichtsystemen erfolgreich hergestellt. Dazu zählen unter anderem Heterobipolartransistoren, MODFETs, Tunneldioden und ‑transistoren, Hetero-MOSFETs, Wellenleiter, IR‑Detektoren oder Photodetektoren.
Bipolartransistoren sind in der Regel vertikale Bauelemente, d. h. die Dicken der einzelnen aktiven Schichten bestimmen elektronischen Eigenschaften (im Unterschied zu den bekannteren Feldeffekttransistoren, bei denen die lateralen Abmessungen entscheidend sind). Der Heterobipolartransistor (HBT) ist eine Weiterentwicklung des konventionellen Bipolartransistors. Hierbei wird die Basisschicht durch eine < 25 nm dicke, heteroepitaktische SiGe-Schicht mit einer kleineren Energielücke als das Emitter- und Kollektormaterial gestaltet. Mittlerweile erreichen SiGe-HBTs Frequenzen oberhalb von 700 GHz; erste 200 GHz-Schaltungen wurden erfolgreich realisiert.
Die Basis-Schicht eines HBTs ist dünn genug, so dass die epitaktische SiGe-Schicht pseudomorph bleibt. Dickere SiGe-Schichten können ihre Verspannung abbauen und sich dabei ihrer Volumenstruktur annähern. Somit bilden sie „virtuelle Substrate“ für weitere, nun wieder verspannte heteroepitaktische Schichten (siehe Abbildung rechts). Optimal für Hochbeweglichkeitskanäle sind verspannte reine (Si oder Ge) Schichten. Das prominenteste Beispiel an dieser Stelle sind unter Zugspannung stehende Silizium-Schichten auf virtuellen SiGe-Substraten. Für verspanntes Silizium (strained silicon) konnte bereits eine Erhöhung der Ladungsträgerbeweglichkeiten um mehr als den Faktor 3 nachgewiesen werden. Germanium besitzt eine deutlich höhere Ladungsträgerbeweglichkeit als Silizium; ein Vorteil, der in neuerer Zeit ebenfalls wieder verstärkt in den Blickpunkt gerückt ist.